Praktikum in einer anderen Welt, die zu meiner paixao (Leidenschaft) wurde. So könnte man meinen Aufenthalt 2006 in Brasilien kurz und treffen beschreiben.
Da ich 2006 noch nicht den Trend der Zeit des Blogens erkannt habe und anscheinend auch zu faul war, werde ich das nun von meinem ersten Aufenthalt in Brasilien 2006 in Kurzfassung nachholen.
Durch meine Tante Ana Claudia (für alle bei denen ich noch nicht mit ihr angegeben habe - sie ist die Frau meines Onkels und Brasilianerin) habe ich die Gelegenheit bekommen ein Praktikum im hospital municipal (Bezirkskrankenhaus) und der secretaria de saude (Gesundheitssekretariat) der Stadt Itapira zu absolvieren.
Itapira ist eine für brasilianische Verhältnisse sehr kleine Stadt (ca. 90.000 Einwohner) im interior (Inland) des Bundesstaats Sao Paulo in der Nähe von Campinas.
Auch meine erste Reise nach Brasilien gestaltete sich mit einigen Anfangsschwierigkeiten da ich mir kurz vor Weihnachten beim Basketball spielen das Kreuzband, den Meniskus und das Seitenband gerissen habe. Auf Grund dieser Verletzung musste mein Praktikumsbeginn von Mitte Februar auf März verlegt werden, da ich halbwegs fit und vor allem ohne Krücken nach den erforderlichen 2 Operationen anreisen wollte. Das hinderte mich unter anderem daran den brasilianischen Carnaval Ende Februar kennenzulernen, was ich aber nächstes Jahr nachholen werde. Aber nach einigem hin und her hat die Planänderung auch geklappt und ich verliess Wien anfang März bei Schneetreiben um in Sao Paulo bei 32°C im Schatten anzukommen.
Dr. Vladen Viera, ein Freund von meiner Tante und Zahnarzt in Itapira, war mein Koordinator und mein Ansprechpartner während meines Praktikums. Von Anfang an hat er und seine Familie sich um mich gekümmert als wäre ich sein eigener Sohn, was mir die Umstellungsphase leichter als erwartet gemacht hat. Am Anfang gab es noch eine kleine sprachliche Barriere, da ich noch nicht so sattelfest in Portugiesisch war. (Ich habe erst ca. 8 Monate davor angefangen Portugiesisch zu lernen und schnelles umgangssprachliches brasilianisches Portugiesisch war anfangs sehr schwierig für mich zu verstehen) Das hat die Familie Viera jedoch nicht gehindert mir in den ersten Tagen Sao Paulo und Campinas zu zeigen und eine Einführung in die brasilianische Kultur und Gastfreundschaft zu geben. Sehr angenehm war auch, dass Guilherme, der Sohn von Vladen (im Bild unten Gui, Vladen und ich), ungefähr gleich alt mit mir ist und ich so gleich einen Freund gewonnen habe. (Wir sind bis heute jede Woche in Kontakt und werden uns auch bald wieder treffen - Gui hat sogar wegen mir angefangen Deutsch zu lernen und will mich unbedingt so bald wie möglich in Österreich besuchen) Dank den Vieras war die Eingewöhnungsphase in Brasilien alles andere als unangenehm und ich wusste immer an wen ich mich wenden kann wenn ich etwas brauche. Durch die Gastfreundschaft habe ich in den ersten Wochen so gut wie nichts ausgegeben, da ich von ihnen versorgt wurde und auch bei ihnen wohnen durfte.
Danach bin ich in ein kleines Apartment im Hotel Sao Paulo in Itapira gezogen, weil ich die die Gastfreundschaft der Vieras nicht die ganzen 6 Monate ausnutzen konnte und wollte. (wer mich kennt weiß ja dass ich doch recht viel esse und ich wollte meinen ersten brasilianischen Freunden nicht gleich damit in den finanziellen Ruin stürtzen;) Der Besitzer des Hotels, auch ein Bekannter von meiner Tante (mir kam es schon vor als würde hier jeder jeden kennen), ist bald zu einem sehr guten Freund von mir geworden, mit dem ich auf churrascos und zu Fussball Matches ging.
Mein Zimmer würde man bei uns leicht mit einem "Abstellkämmerchen" verwechseln. Es umfasste gerade einmal ein Bett, ein Brett das einen Tisch darstellen sollte, einen Kasten bei dem eine Türe leicht seitlich weg hing und ein Waschbecken mit einem kleinen verfliesten Plätzchen am Boden wo ein Duschkopf darüber hing und eine Klomuschel, die so knapp angebracht war, dass man sich während des Geschäfts auch duschen konnte. (auch sehr ungewöhnlich zu Beginn war die Duschbrause aus der ein Elektrokabel frei herauskommt um das Wasser so mittels Strom zu wärmen - Wasser und Strom so nahe beieinander verträgt sich ja bekanntlich nicht - aber wie man sieht habe ich das Duschen mit dieser gefährlichen Konstruktion überlebt)
Jedenfalls kann man sich vorstellen, dass ich nicht sehr luxuriös gelebt habe aber ich habe ohnehin nicht sehr viel Zeit in meinem Zimmer mit meinen Haustieren (Eidechsen, baratas = Kakerlaken, Spinnen und Ameisen) verbracht.
Denn bald fand ich auch im nahe gelegenen original brasilianischen Fitness Center (unter einem Strohdach mit ur alten Fitness Geräten, rostigen Hantelscheiben und nur mit 2 Ventilatoren ausgestattet) einige Freunde. Und schon bald wusste ich vor lauter Angeboten am Wochende nicht was ich zuerst in meiner Freizeit tun sollte und auf welche Party ich zuerst gehen sollte.
Auch die Arbeit war sehr interessant und ich hatte sehr viele nette Arbeitskollegen, die mich auch ständig zum essen einluden oder mich mit einer Tochter oder anderen Verwandten verkuppeln wollten. Bald wusste als die ganze Stadt dass es hier einen Gringo (Ausländer) gibt und sogar die Polizei grüsste mich auf der Straße, indem sie mir "eai Gringo tudo bem?" (Hallo Gringo wie gehts?) zuriefen. Mein Bekanntheitsgrad und Freundeskreis stieg als von Woche zu Woche und bald fühlte ich mich wie zu Hause.
Stehts machte ich Ausflüge am Wochende oder an Feiertagen (von denen gibt es in Brasilien reichlich) in den nahegelegenen Bundesstaat Minas Gerais, an die Küste von Sao Paulo oder zB nach Rio. Motorrad Touren, Surfen, Fussball Matches anschauen, churrascos und baladas (Barbecue mit anschließender Party) waren Fixpunkte in meinem Freizeitprogramm. (so lässt es sich leben oder ;)
Auch mein Arbeitsalltag gestaltete sich sehr gemütlich. Arbeitsbeginn war zwischen 8 Uhr und 9 Uhr (mit sehr flexibler Interprätation der Uhrzeit;) übrigens ist der Brasilianer sowieso nie pünktlich und eine Verspätung von einer halben Stunde bis Stunde ist ganz normal. Dann hielt man um 12 einenhalb Stunden Mittagspause und spätestens um 16uhr durfte ich wieder nach Hause gehen. Also überanstreng habe ich mich nicht aber das gehört zur brasilianischen Arbeitsmoral ;) Ich durchlief so ziemlich alle Abteilungen des Krankenhauses, wobei ich sehr viel lernte. Es war unglaublich für mich wie man aus so wenigen Ressourcen, die einem zur Verfügung stehen, so viel erreichen kann und eine kostenlose Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung gewährleisten kann. (im Bild unten ein brasilianischer "Krankenwagen" und ein Zimmer im Krankenhaus) Natürlich auf Grund der hohen Bevölkerungszahl und der knappen materiellen, finanziellen sowie persönlichen Ressourcen herrschen limitierter Zugang und relativ hohe Wartezeiten. Dadurch dass ich in einem öffentlichen Krankenhaus gearbeitet habe habe ich sehr viele Leute, damit meine ich auch Patienten, aus den unteren Schichten kennengelernt, was sehr interessant und Augen öffnend war.
Somit habe ich die Realität von Brasilien kennengelernt und die ist leider auch von Armut, Kriminalität und dadurch bedingte Krankheiten und Verletzungen beprägt. Messerstiche, Schusswunden und Verkehrsunfälle stehen an der Tagesordnung... Was ich da mit meinen eigenen Augen gesehen habe hat mich oft sehr schockiert und nachdenklich gestimmt. Ich war aber dann immer wieder verwundert wenn ich mit den Leuten gesprochen habe und sie mir gesagt haben, dass sie trotzdem glücklich sind. Auch der meist tief verankerte religiöse Glaube der Leute hilft ihnen anscheinend über gewisse Schwierigkeiten im Leben hinwegzusehen und damit zu leben. Seitdem ist es für mich oft einfach nur lächerlich wenn ich in Österreich Leute höre, die sich über die kleinsten Kleinigkeiten aufregen und jammern. (auch ich erwische mich manchmal dabei wie ich mich über Sachen beschwere, die im Vergleich zu den wirklichen Problemen einiger Leute auf der Welt, einfach keine Bedeutung haben) Ich habe mir damals vorgenommen ein bisschen Brasilien in Form von Lebensfreude, Offenheit und Hilfsbereitschaft in mir mitzutragen und nach Österreich zu importieren. Ich weiß nicht ob ich es geschafft habe aber auf jeden Fall hat die Zeit für mich sehr viel gebracht und ich habe mich persönlich weiterentwickeln können. Auf jeden Fall habe ich Freunde fürs Leben gewonnen und gelernt mich an kleinen Dingen zu erfreuen und diese zu schätzen.
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